Da ist sie wieder, die alljährlich aufflammende Diskussion um die Aufstiegsregelung von der Regionalliga in die 3. Liga. Wobei: Ob es eine Diskussion ist, darf bezweifelt werden, es ist doch eher ein stumpfer Ausdruck des Ungerechtigkeitsempfindens – Lösungsansätze sind in dem Zuge weniger zu vernehmen. Ich wage mich einfach mal an einen solchen.
Welche Situation haben wir eigentlich?
Deutschland ist in der vierten Spielklassenebene in fünf Regionen eingeteilt – sauber getrennt entlang der Grenzen, die die Regionalverbände vorgeben. Wir haben Nord, Nordost, Bayern, Südwest und West. Nicht unter den Tisch darf hierbei die Tatsache fallen, dass der Bereich Südwest aufgrund seiner Größe eigentlich zwei Regionalligen bilden müsste, der Südwesten hier aber bereits ein Zugeständnis im Rahmen der letzten Strukturreformen leistete.
Wer steigt auf?
Aus dem Westen und dem Südwesten steigen die beiden Meister dauerhaft direkt auf. Als Begründung hält hier die Zahl der Mitgliedervereine her. 52,3 % aller bundesdeutschen Vereine entfallen auf den Westen und den Südwesten. Die anderen drei Regionalverbände haben hingegen nur 47,7 % (NFV 17,2%, BFV 16,0%, NOFV 14,5%). Daher gibt es seit 2018 ein rotierendes System der Regionalligen Bayern, Nordost und Nord. Alle drei Jahre erhält eine Regionalliga jeweils ein direktes Aufstiegsrecht und die anderen beiden Meister spielen in einer Relegation mit Hin- und Rückspiel den vierten und letzten Aufsteiger aus. In diesem Jahr darf der Norden direkt hoch und der Nordost-Meister kickt gegen den Bayern-Meister, im nächsten Jahr darf dann der Nordost-Meister direkt hoch, während Bayern gegen Nord spielt. 2025 spielt der Nord-Meister wieder gegen den Nordost-Meister und der Bayern-Meister geht direkt hoch – ab 2026 geht das Spiel von vorne los.
Was erzürnt die Gemüter?
Die Gleichung ist einfach und natürlich ungerecht. Es gibt aufgrund der fünf Regionalligen fünf Meister. In der 3. Liga werden durch vier Absteiger aber zu wenig Plätze frei. Bedeutet: Einer bleibt auf der Strecke. Da ist es den Vertretern im Norden, Nordosten und Bayern zunächst einmal herzlich egal, dass der Westen und der Südwesten mehr Mitglieder haben. Die Leistung, Meister zu werden, ist dennoch groß, wird aber anders belohnt, als in anderen Staffeln auf gleicher Spielklassenebene. Anders als in tieferklassigen Amateurstaffeln, wo Aufstiegsrunden an der Tagesordnung sind, sind wir hier mindestens im semi-professionellen Bereich unterwegs, wo es bereits um viele Arbeitsplätze und nicht zuletzt um viel Geld geht.
Was kann denn die Lösung sein?
Eines vorweg: Die punktuelle Empörung, wenn man selbst grad betroffen ist, ist kein Lösungsansatz. Diese hat man im letzten Jahr vom BFC Dynamo ebenso vernommen wie jetzt von Verantwortlichen des FC Energie Cottbus. Der Nordosten wollte zwar mit großem Bohei in dieser Saison zwischen zwei Relegationsjahren mit Nordostbeteiligung das Modell 22/5 anschieben, verlieh diesem Vorschlag aber sehr wenig Substanz. Das Modell 22/5 beinhaltete die Aufstockung der 3. Liga auf 22 Teams mit dann fünf Absteigern. Dass dieser Vorschlag kurz nach Verlängerung der TV-Verträge für die 3. Liga gemacht wurde, war vorsichtig ausgedrückt, das falsche Timing.
Meiner Auffassung nach wäre dieser Vorschlag erneut zu Lasten der 3. Liga gegangen, die immerhin 2018 schon einem weiteren Absteiger (von drei auf vier) zugestimmt hatte verbunden mit der Hoffnung, dass die Regionalverbände sich auf eine andere Aufstiegsregelung einigen würden. Dem war am Ende nicht so – die Rotation, die eigentlich nur als Übergang bis zu einer richtigen Lösung eingeführt wurde, wurde stillschweigend dauerhaft verlängert.
Ich stehe natürlich hinter dem Grundsatz „Meister müssen aufsteigen“, aber, und jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Punkt, nur in einer Struktur, die das auch nachhaltig ermöglicht.
Option 1: Man teilt die 3. Liga auf zwei dritte Ligen auf und kann dann aus jeder Liga drei Teams absteigen lassen. Da drunter hat man dann sechs Regionalligen (der Südwesten wird wieder aufgeteilt), aus denen jeder Meister aufsteigen kann.
Diese Variante schafft zwar ein Tannenbaumsystem und damit eine Grundvoraussetzung für den Grundsatz „Meister müssen aufsteigen“, scheidet für mich aber dennoch aus. Die 3. Liga ist neben der Nationalmannschaft und dem DFB-Pokal mittlerweile das Premiumprodukt des DFB. So ein Produkt (man möge mir diesen Begriff mangels Alternativen verzeihen) teilt man nicht so ohne weiteres wieder auf. Auch angesichts des gerade geschlossenen Fernsehvertrags erscheint das total unrealistisch.
Option 2: Man schiebt zwischen der eingleisigen 3. Liga und den fünf Regionalligen zwei vierte Ligen. Auch hier könnte es dann insgesamt sechs Absteiger in die Regionalligen und entsprechend sechs Aufsteiger geben.
Diese Option erscheint mir zwar schon ein wenig realistischer, allerdings wird es sehr schwer, zwei 18er Ligen mit Vereinen zu besetzen, die sich diesen Aufwand mit hohen Fahrtzeiten und ähnlichen Anforderungen an die Infrastruktur (vergleichbar mit der 3. Liga) leisten können. Schon jetzt verzichten viele Regionalligisten auf die 3. Liga. Diese würden sich wohl auch so eine Liga nicht leisten können. Neben vielen Traditionsvereinen würde es somit eine Schwemme an Zweitvertretungen geben, für die eine Vierte Liga in der Form in Frage käme, und sicherlich auch im Sinne der Nachwuchsförderung (Duelle mit Männermannschaften) attraktiv wäre. Ob man das wirklich will? Zudem wird man TV-Gelder benötigen, um den Aufwand, den diese Struktur mit sich bringt, realisieren zu können. Einen TV-Partner und Sponsoren zu finden, erscheint mir auch angesichts des Szenarios mit den Zweitvertretungen zumindest mal fraglich.
Option 3: Man schafft vier Regionalligen und somit für den Meister einer jeden Liga ein permanentes Aufstiegsrecht.
Für mich das beste Szenario. Vier Regionalligen schaffen im deutschen Ligasystem endlich die lange benötigte Tannenbaumstruktur. Wichtig: Wir müssen weg von den alten, verkrusteten Strukturen, die uns die Regionalverbände auferlegen. Die Mehrwerte, die uns Regionalverbände geben, ist doch äußert überschaubar. In Schleswig-Holstein wird schon länger das flexible Ligasystem praktiziert. Ligen werden nach Entfernungen der Spielorte untereinander und losgelöst von Kreisfußballverbänden eingeteilt. Dies sorgt nicht nur für Abwechslung, es schafft auch Derbys, die es sonst nie gegeben hätte. Natürlich gab es auch hier anfangs Widerstände gegen die alten, gewohnten Strukturen. Inzwischen aber hat das Neue jeder akzeptiert und erkennt die Vorteile.
Warum geht das nicht bundesweit? Warum geht das in vielen anderen großen Nationen, aber hier nicht? Losgelöst davon, dass es sportlich aktuell sehr unrealistisch erscheint, ist es doch überhaupt nicht zu erklären, warum beispielsweise Münster und Osnabrück niemals in einer Regionalliga spielen dürften, obwohl es doch ein echtes Derby ist. Mit einem System wie in Schleswig-Holstein praktiziert, wäre dies zukünftig möglich. Ich bin überzeugt, dass auch die traditionsreiche Nordost-Staffel künftig nicht groß verzichten müsste – die meisten Traditionsderbys blieben sicherlich erhalten.
Am Ende müssen es natürlich alle Beteiligten wollen, und alle müssen auch bereit sein, ein stückweit auf die über die zum Teil Jahrzehnte liebgewonnenen Traditionen zu verzichten. Denn am Ende würde für alle Beteiligten ein echter und vor allem nachhaltige Mehrwert stehen und diese unsägliche Diskussion hätte endlich ein Ende!
Eine hervorragende Darstellung der Möglichkeiten mit einer starken Einschätzung der Machbarkeit. Schlussendlich werden wir Grenzen öffnen müssen um sportlich faire und gleichzeitig attraktive Ligasysteme zu finden.
Sehr gute und argumentativ stichhaltige Zusammenfassung des Themas mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand.